Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen halten darf, rief mich Herr Wesnik an und bat mich darum, im Rahmen der Schleswig-Holsteinischen Kulturtage, kirchenmusikalische Werke an der Orgel während dieses Gottesdienstes ausführen zu dürfen. Ich stimmte sofort zu, erstens, weil ich begeisterter Zuhörer bin und zweitens, weil in der sakralen Musik der verdichtete Glauben der Komponisten zum Ausdruck kommt, die mit ihrer Kunst ihr en Gott loben und ehren wollten. Ich weiß es aber aus Kommentaren von anderen, daß viele Gottesdienstbesucher entweder von ihr genervt werden oder beim Hören nur ihr Bedürfnis nach einem Kunstgenuß befriedigen wollen. Kein Wunder, daß deshalb nach Aufführungen von Passionsmusiken, die ja das Leiden unseres Herrn Jesus Christus zum Inhalt haben, brausender Beifall und Bravorufe durch manche Kirchen schallen. Ich habe nichts dagegen, wenn damit die Kunstfertigkeit und Profession der Aufführenden ausgezeichnet werden soll, ich befürchte aber, daß dabei das Verstehen des Inhalts und der Grund, warum solche Musik geschrieben wurde, für viele verloren geht. So haben wir heute z.B. das Lied Jesu meine Freude gesungen und bestimmt den Variationen an der Orgel gut zugehört und bewundert, mit welcher Fingerfertigkeit und Können die beiden Organisten aus vielen Pfeifen solch herrliche Musik herauslocken können. Erinnern Sie sich aber an den Text und wenn, verstehen sie, was der aussagen will? Der Umgang mit unserer Kirchenmusiktradition unterscheidet sich bei vielen kaum von der der damaligen SED, die z.B. die Berühmtheit des Leipziger Thomanerchores, als ein Beispiel der Überlegenheit des Sozialismus über Kapitalismus rühmte und deshalb das tradierte Kulturgut förderte, den Inhalt aber relativierte. Aber Schluß damit. Ich will mir jetzt mit diesen Erörterungen nicht den Weg für die Schönheit der Musik zu Gottes Ehren versperren, sondern mich lieber an einen Vers, den ich in einem Knabenchor in Stuttgart lernte, erinnern, der so lautet: Wer nicht durch die Musik beweget kann werden, ist einfach nicht würdig zu leben auf Erden, wen aber die Musik so richtig beglückt, der hat schon ein wenig in Himmel geblickt. Und ich denke keiner unter Ihnen erinnert sich nicht an eine Situation in seinem Leben, wo ihn ein besonderes Lied oder Musikstück, egal ob Pop oder Ernst, den Moment des Empfindens gesteigert, ja unvergeßbar gemacht hat. Unvergeßlich in diesem Zusammenhang bleibt für mich die Beerdigung eines vierjährigen Jungen, der abends im Schlafanzug noch einmal auf sein Fahrrad stieg und von einem Freund auf der anderen Seite der Straße gerufen, beim Überqueren der Straße überfahren wurde. Die Orgel, verstärkte, als sie zum Eingangschoral der Trauerfeier anstimmte, so die beklemmende Situation, daß es für mich vor dem kleinen Sarg kaum ertragbar war. Trotz aller Anstrengungen unserer Organistin, versagte die Orgel ihren Dienst und ich konnte die Ruhe in meiner Stimme nicht gewinnen, die ich sonst immer durch das Orgelvorspiel gewann, weil die Musik mich trotz allem Traurigsein an Gott und den Inhalt seiner frohen Botschaft erinnerte. Der Grund war, daß alle Pfeifen verstimmt waren, weil ein Fenster an der Orgel über die Nacht versehentlich geöffnet blieb und die feuchtkalte Luft die Holzpfeifen verzog. Die Ruhe hätte ich gerade dort benötigt, um der Familie wieder Hoffnung zu geben. Ich habe es nicht geschafft, im Laufe der nächsten 3 Jahre brach alles, was die Familie zusammenhielt, auseinander, weil sie an der Trauer zerbrach und ich denke es lag auch an der peinlichen Situation der fehlenden Stimmung bei der Trauerfeier, die auch durch die Anwesenheit zweier Kripobeamten, die den Onkel gefesselt zwischen sich eingeklemmt hatten, verstärkt wurde. Ich selbst war nur auf meine Worte und das Singen war kläglich, weil der stützende Klang der Orgel fehlte, der in der trostlosen Hoffnungslosigkeit immer noch eine Stimmung erzeugt, die man gar nicht hoch genug zur Beruhigung der Angehörigen einschätzen kann. Sie fragen sich, warum ich Ihnen das erzähle? Weil die Trostlosigkeit der damaligen Stimmung im totalen Kontrast steht, zu dem Lied, das wir vor der Predigt gesungen haben und über das ich heute predigen will. Jesus meine Freude, meines Herzens Weide, Jesu meine Zier! Wenn man keine Probleme hat und es einem gut geht, kommen einem solche Worte doch leicht über die Lippen, werden Sie vielleicht denken! Irrtum, das schreibt ein Mensch, der den 30-jährigen Krieg erlebt hatte, der damals Deutschland, ja das ganze Europa überzog, den 30-jährigen Krieg. Es ging wieder einmal um eine gerechte Sache, um den rechten Glauben. Und für diese gerechte Sache Gottes zogen brandschatzende Horden von Landsknechten durch Deutschland und scherten sich bei ihrem Geschäft um alles andere als um Menschenrechte oder um den Inhalt der Sache für die sie kämpften. Frauen und Kinder waren Freiwild, die Pest als Folge der Schrecken des Krieges war mit ihrem grausamen Erfolg durch fast jede Familie gejagt, da singt einer Jesus meine Freude? Ja, weil er wie damals der geplagte Hiob wußte, wenn mir jemand in meiner Not hilft, dann gewiß nicht die Menschen, die aus irgendwelchen Ismen und Rechthabereien auch heute noch ihr mörderisches Kriegshandwerk ausüben, sondern jener, der, weil er im Namen Gottes dessen Liebe verkündete, ans Kreuz genagelt wurde. Er wurde gekreuzigt aus Religionsräson, wo käme man denn hin, wenn einer ohne die Absegnung der Religionsfunktionäre die Liebe Gottes predigte und die Leute damit ihren Unterdrückern abspenstig machte. Unser Liedschreiber glaubt dem, der dort hängt und der auferstanden ist zum Zeichen, daß letztendlich doch die Liebe Gottes über alles siegt auch über den Tod und deshalb setzt er fort: ach wie lang ach lange ist dem Herzen bange und verlangt nach Dir: Gottes Lamm mein Bräutigam, außer Dir soll mir auf Erden nicht sonst liebers werden. Hier verwendet er ein altes Motiv der Bibel, die den Glauben zu Gott mit dem Bild der Braut und dem Bräutigam vergleicht. Übrigens auf die Aussage: Ich brauche nicht in den Gottesdienst zu gehen um ein guter Christ zu sein, antworte ich mit diesem Bild und frage: Können sie sich ein glückliches Brautpaar vorstellen, das sich höchstens viermal im Leben trifft? Ist es nicht das Bedürfnis nach gemeinsamer Geborgenheit in der Liebe, daß man sich so häufig wie nur möglich sieht und wenn man verhindert ist, immer aneinander denkt und Briefe schreibt oder an ruft. Unser Lieddichter spürt im Glauben diese Geborgenheit und schreibt: Unter deinen Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei, laß den Satan wettern, laß die Welt erzittern mir steht Jesus bei. Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken, Jesus will mich decken. Ja, Jesus rettet und beschützt ihn, er macht ihn unsterblich mit der Arznei der Unsterblichkeit uns vermittelt im Abendmahl, durch das er jeden so stärkt, daß ihn keine Kraft von der Geborgenheit in seiner Liebe trennen könnte und das hat zur Folge daß er weitersingen kann: Trotz dem alten Drachen, trotz dem Todesrachen, trotz der Furcht da zu: Tobe Welt und springe, ich steh hier und singe in gar sicherer Ruh, Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muß verstummen, ob sie noch so brummen. Keine böse Schwiegermutter oder kein böser Schwiegervater, keine andere Macht kann jemals Liebende auseinanderbringen und in der Liebe wird man mutig, trotz aller Schläge, die im Leben auf einen Menschen zukommen können. Nein, der Glaube an die Liebe Gottes ist wie eine dicke Fettschicht, an der alles Wasser abperlt. Und was wollen wir denn mehr als diese über den Tod lebendig bleibende Liebe an den Särgen verkündigen? Leider wird sie oft überhört. Jesu Liebe ist aber die Höchste, denn sie verspricht mir, daß ich, weil ich von Gott geliebt bin, auferstehen werde in seine ewig dauernde Liebe: Dies ist dem Dichter so kostbar, daß er fortsetzt: Weg mit allen Schätzen, du bist mein Ergötzen, Jesu meine Lust. Weg ihr eitlen Ehren ich mag Euch nicht hören, bleibt mir unbewußt. Elend, Not Kreuz Schmach und Tod, soll mich, ob ich viel muß leiden, nicht von Jesus scheiden. Beeindruckt erinnere ich immer noch an die letzten Worte eines Sterbenden: Jesus ich komme. Diesen Glauben möchte ich auch haben und durch mein Predigen einer Welt verkündigen, in der sich Menschen bemühen, nutzlose und unsinnige Dinge so lange wie möglich zu machen, damit sie ihren Namen gedruckt im Guinnesbuch der Rekorde wiederfinden, dabei aber vergessen, sich einen Namen im Himmel zumachen und deshalb applaudieren, als Jesus in Hoyerswerda bedroht war durch Skinhads und ihr Essen nicht teilten als er in Afrika und nicht nur dort verhungerte. Ich möchte unser, ja, mein egoistisches, triebhaftes Sein so weit wegschieben können wie der Sänger, der im 5. Vers schrieb: Gute Nacht o Wesen, das die Welt erlesen, mir gefällst Du nicht: Gute Nacht ihr Sünden, bleibet weit dahinten, kommt nicht mehr ans Licht: Gute Nacht du Stolz und Pracht, dir sei ganz, Du Laster leben, gute Nacht gegeben. Er weiß, das letzte Hemd hat keine Taschen ! Deshalb Du Tor, was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nehme doch schaden an seiner Seele? Die Angst vor dem Tod ist es doch, die uns alles machen läßt, ihm so weit wie möglich wegzuschieben, so weit, daß wenn es stimmt, arme Kinder in Südamerika geschlachtet werden, damit ihre Organe als Ersatzteile für die Reichen im Norden verwandt werden können. Es wurde traurig, wenn er damals seine Umwelt betrachtete und es ist traurig, wenden wir heute unser Umwelt betrachten, man könnte verzweifeln, wenn diese Welt die einzige Welt ist, die uns Leben bietet: Er will daran nicht denken, daß er allein auf diese Welt an gewiesen sein könnte und weil er bewußt betete: Dein Reich komme, konnte er das Lied abschließen mit den Worten: Weicht Ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister; Jesus tritt herein. denen die Gott lieben, muß auch ihr Betrüben lauter Freude sein. Duld ich schon hier Spott und Hohn, dennoch bleibst du auch im Leide: Jesu meine Freude! Wohl, weil er der einzige ist, der uns aus den Wirren unserer schuldhaften Verstrickung in die Probleme dieser Welt lösen kann. Liebe Gemeinde, dieses Lied hat die Aussage des ganzen Evangelium in sich und ist für mich viel zu wertvoll, als daß man es in der Meinung, man könne nur mit zeitgemäßeren Liedern die Menschen in die Kirchen locken, dem neuen Zeitgeist opferte. Es ist ein Lied, dessen Inhalt ich damals beim dem 4-jährigen Maik den Eltern als Brücke zu einem Leben mit Maik im Himmel vermitteln wollte. Ich habe es nicht geschafft, meine Worte waren so, wie die Musik der verstimmten Orgel. Ich wünschte mir, wir würden uns dessen bewußt, was einen Menschen, der nur grausame Welt um sich herum erfuhr, so stark macht: den Glauben an die Liebe Gottes, dieser Glaube allein läßt mich dieses Lied singen, nicht nur weil es angesagt ist, sondern weil es für mich zur Wahrheit wurde. Die Wahrheit, daß wir ohne Gott nur unbedeutende Nichtse bleiben, mit Gott aber zum Partner dessen werden, der Himmel und Erde gemacht hat. Amen |
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